Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht

Article author: Bill W. Dufwa
About: Bill W. Dufwa är professor emeritus i försäkringsrätt vid Juridiska fakulteten, Stockholms universitet. Han arbetar väsentligen i Paris med arbete i grupper som eftersträvar en europeisk civilrätt.
Edition:
2, 2006
Language: International
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174 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht NFT 2/2006 1. Einleitung 1. Der schwedische Reichstag („Riksdagen“) hat ein neues Versicherungsvertragsgesetz verabschiedet (2005:104; im folgenden NVVG genannt). Dieses am 10. März 2005 erlassene Gesetz trat am 1. Januar 2006 in Kraft. Als das Gesetz erlassen wurde hatte der Gesetzgebungsprozess 26 Jahre angedauert – mit verschiedenen Unterbrechungen. Das Gesetz gibt den heute in Schweden geltenden Wertvorstellungen darüber Ausdruck, wie das Verhältnis zwischen Versicherungsgesell- schaften und Versicherten ausgestaltet sein sollte. Im Vergleich zu früher nehmen die Pflichten der Versicherungsgesellschaften zu und gleichzeitig wird der Schutz der Versi- cherten verbessert. In den andauernden An- strengungen gemeinsame allgemeine Prinzi- pien für ein europäisches Versicherungsver- tragsrecht zu finden, ist dieses schwedische Gesetz als das neueste in Europa von beson- derem Interesse. I Tyskland har ett lagförslag lagts fram som innebär en revision av den från 1908 gällande tyska försäkringsavtalslagen. Nordisk Försäkrings- tidskrift har funnit det angeläget att huvuddragen av den nya svenska försäkringsavtalslagen snarast finns tillgängliga på tyska, något som kan vara synnerligen värdefullt för nordiska försäringsbolag i kontakter med europeiska bolag med tyska som huvudspråk. Artikeln nedan fyller detta behov. Den motsvarar ett föredrag som professor Bill W. Dufwa höll på den tyska Försäkringsrättsföreningens internationella konferens i maj 2005. Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht1 von Bill W. Dufwa Bill W. Dufwa bill.dufwa@wanadoo.fr Bill W Dufwa är professor emeritus i försäkringsrätt vid Juridiska fakulteten, Stockholms universitet. Han arbetar väsentligen i Paris och gästföreläser framför allt i Frankrike, Belgien och Italien. Dufwa skrev avsnittet om utländsk rätt i propositionen till ny försäkringsavtalslag (2003/04:150) och deltar tillsam- mans med andra professorer i arbetet med att finna regler och principer för en europeisk civilrätt, särskilt skadestånds- och försäkringsavtalsrätt. 175 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht 2. Der Hintergrund 2. Das bevorige schwedische Versicherungs- vertragsrecht bautete auf zwei Gesetzen: das Gesetz (1927:77) über Versicherungsverträ- ge (Försäkringsavtalsrätt = FAL) und das Verbraucherversicherungsgesetz (1980:38) (Konsumentförsäkringslagen=KFL). Das er- ste Gesetz trat 1928 in Kraft, das zweite im Jahr 1981. 3. KFL erfasste sechs Schadensversicherun- gen, abgeschlossen von Verbrauchern: Haus- ratversicherung, Gebäudeversicherung, Feri- enhausversicherung, Reiseversicherung, KfZ- Versicherungen, inklusive Bootversicherun- gen. Das Gesetz wurde auch auf Personenver- sicherungen angewandt, aber in dem Fall nur in sehr begrenztem Rahmen, nämlich, wenn die Personenversicherung als Teil einer vom KFL erfassten Schadensversicherung mit um- fasst war. Andere Versicherungen von Ver- brauchern, beispielsweise Hundeversiche- rung, fielen nicht unter das KFL. Das Gesetz konnte auch nicht auf kollektive Versicherun- gen angewandt werden. In gewissen Fällen verwies das KFL auf das FAL. Dies war zum Beispiel dann der Fall, wenn es um Schadens- ersatz an Dritte ging. Das Gesetz war zwingend, obgleich nicht vollständig. Es beruhte auf dem Prinzip, dass die Versicherten die Freiheit haben sollten selbst zu bestimmen, was die Versicherung erfassten soll. 4. Das FAL beinhielt Bestimmungen über andere Versicherungen als die, die unter das KFL fielen. Insbesondere handelte es sich dabei um zwei Arten von Versicherungen: Personenversicherungen, sowie von Firmen und öffentlicher Rechtssubjekten abgeschlos- sene Versicherungen (Unternehmensversiche- rungen). Die überwiegende Anzahl von Be- stimmungen im FAL war dispositiv, aber in vielen wesentlichen Aspekten war das FAL zwingend. Das FAL unterschied zwischen Schadensversicherung und Personenversiche- rung. Das Gesetz war in vier Abschnitte unter- teilt; einer beinhaltete Regelungen, die für alle Arten von Versicherungen galten (§§1 bis 33), einer im Hinblick auf Schadensversiche- rungen (§§ 35 bis 96), einer der Lebensversi- cherungen behandelte (§§ 97 bis 118), sowie ein abschließender, der Unfall- und Kranken- versicherung abdeckte (§§ 119-120). 5. Nimmt man KFL und FAL zusammen, handelt es sich also um eine umfassende Ge- setzgebung einen einzigen Vertragstyp be- treffend. FAL beinhaltete 124 Paragraphen, KFL 43, folglich insgesamt 167 Gesetzes- bestimmungen. Ist eine solch große Menge Gesetzesregelungen wirklich notwendig? Eine Möglichkeit wäre es, sich bloß an die wichti- gen und großen Prinzipien zu halten und zu- dem zwingende Regelungen zu schaffen. Im Übrigen sollte der Markt sich selbst mit Hilfe von Versicherungsbedingungen um die Re- gelungen kümmern dürfen. Eine solche Be- grenzung der gesetzgeberischen Reichweite wurde von der Regierung diskutiert, als man das neue Versicherungsvertragsgesetz (NVVG) einführen wollte. Die Regierung fand allerdings, dass das Rechtsgebiet sehr speziell sei und deswegen auch umfassendere Gesetz- gebung benötige, als dies in anderen Teilen des Zivilrechts notwendig war, nicht zuletzt für das allgemeine Vertragsrecht. In dieser Hinsicht wurden speziell die Besonderheiten des Versicherungsvertragsrechts hervorgeho- ben. Der Versicherungsnehmer braucht Si- cherheit auf eine Art und Weise, die keine direkte Entsprechung in anderen Rechtsge- bieten findet. Es herrscht ein besonderes Ver- trauensverhältnis zwischen den Parteien des Vertrages. Die verschiedenen Pflichten des Versicherungsnehmers spielen eine heraus- ragende Rolle. Präventionsgesichtspunkte be- dürfen besonderer Beachtung. Die sozialen 176 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht Gesichtspunkte sind besonders wesentlich. Die neue Gesetzesregelung blieb indes nicht auf ungefähr dem gleichen mengenmäßigen Niveau wie früher. Das Resultat der Reform war eine noch detailliertere Gesetzgebung als vorher. Auch wenn das NVVG aufgrund der angewendeten Technik viele Wiederholun- gen beinhaltet, so handelt es sich doch insge- samt gesehen um eine offensichtliche Erwei- terung. Das NVVG besteht aus insgesamt 254 Paragraphen im Vergleich zu den früheren 167 Paragraphen. 3. Die Gesetzgebungsarbeit 6. Der Gesetzesentwurf auf dem das KFL beruht war durch das Versicherungskomitee ausgearbeitet worden und wurde kurz vor Ende des Jahres 1977 übergeben.2 Das Ko- mitee setzte danach seine Arbeit im Hinblick auf die Schaffung eines speziellen Personen- versicherungsrechts und danach eines Scha- densversicherungsrechts fort. Gleichzeitig mit der Arbeit des Komitees an einem neuen Personenversicherungsrechts wurde eine ver- gleichbare Arbeit von Komitees in Däne- mark, Norwegen und Finnland betrieben. Das dänische Komitee wurde nach einiger Zeit aufgelöst, so auch das finnische. Das norwe- gische Komitee war hingegen mit seiner Ar- beit erfolgreich und präsentierte einen Ent- wurf zum Personenversicherungsrecht 1983. Das finnische Justizministerium, das nach der Niederlegung des Komitees dessen Arbeit fortsetzte, legte 1985 einen vergleichbaren Entwurf vor. 7. Die Arbeit des schwedischen Komitees blieb liegen, nachdem der Vorsitzende, Pro- fessor Jan Hellner 1980 zurückgetreten war. Einige Monate später kam die Arbeit jedoch wieder in Gang, dieses Mal mit dem Bundes- richter Bertil Bengtsson als Vorsitzendem des Versicherungsrechtskomitees. Ende 1986 prä- sentierte das Komitee einen Entwurf zum Personenversicherungsgesetz3 . Parallel zu dem Entwurf zum Personenver- sicherungsgesetz arbeitete das schwedische Komitee von 1983 auch an einem Entwurf zum Schadensversicherungsgesetz.4 Das wurde das letzte Produkt des Komitees. Die Absicht war, dass dieser Entwurf, vorgelegt 1989, zusammen mit dem früher vorgelegten Entwurf zum Personenversicherungsgesetz das FAL und das KFL ersetzen sollte. Schwe- den sollte sich auf diese Weise weiterhin mit zwei Gesetzen auf dem Gebiet des Versiche- rungsvertragsrechts bewegen, eines für Scha- densversicherungen und ein anderes für Per- sonenversicherungen. 8. Letztendlich kam es aber nicht dazu. Das Justizministerium fasste die beiden Gesetzes- entwürfe zu einem zusammen und der Ent- wurf wurde in Form einer sogenannten „De- partementspromemoria“ 1993 vorgelegt..5 Danach folgte die sogenannte „remiss- behandling“ (eine Behandling die verschie- dene Behörde, Gerichte, Organisationen und andere die Möglichkeit gibt ihre Reaktionen auf die Entwurf zu geben). Nach dieser folgte die Bearbeitung, die bis 2003 andauern sollte. Dann beschloss die Regierung den Entwurf dem „Lagråd“ vorzulegen.6 Nachdem dieser den Entwurf in Dezember 2004 akzeptiert hatte,7 brachte die Regierung die Vorlage am 19.Mai 2004 in den Reichstag ein.8 Wie schon erwähnt wurde diese vom Reichstag im Jahr 2005 angenommen. 4. Die Gesetzesterminologie 9. Mit „Verbraucherversicherung“ bezeich- net man eine individuelle Schadensversiche- rung, die eine natürliche Person abschließt oder die auf einen Nachlass abgeschlossen wird und die hauptsächlich für Zwecke außer- halb wirtschaftlicher Betätigung dient (§ 4 1.Absatz). Wenn versichertes Eigentum so- 177 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht wohl für privaten als auch für geschäftlichen Gebrauch verwendet wird, soll eine Gesamt- betrachtung darüber durchgeführt werden, ob dies vorhersehbar war als die Versicherung unterschrieben wurde. Ob der Schaden selbst im Dienst eintraf oder nicht ist dagegen unbe- achtlich. 10.„Geschäftsversicherung“ wird definiert als eine individuelle Schadensversicherung, die geschäftliche Betätigung, öffentliche Tätig- keit und andere individuelle Schadensversi- cherungen erfasst, die nicht unter Verbrau- cherversicherungen fallen (§4 Absatz 1). Das was im Gesetz zu Gewerbetreibenden ge- nannt wird, gilt auch für andere, die eine Geschäftsversicherung abschließen oder ab- zuschließen beabsichtigen (§4 Absatz 3). Bei- spiele dafür sind Stiftungen oder Vereine, die eine Geschäftsversicherung abschließen, ohne wirtschaftlich tätig zu sein. Eine Geschäfts- versicherung ist immer eine individuelle Ver- sicherung. 11. „Gruppenabrede“ wird im Gesetz als eine Abrede definiert, die von einer Versiche- rungsgesellschaft mit einer bestimmten Gruppe von Personen geschlossen wird und die Geschäftsbedingungen für Verträge über Gruppenversicherungen angibt. Damit es über- haupt eine Gruppenversicherung geben kann, muss es eine Gruppenabrede geben. Diese Abrede selbst ist jedoch kein Versicherungs- vertrag. Derjenige, der eine Gruppenabrede mit der Versicherung eingeht kann zum Bei- spiel ein Arbeitsgeben zugunsten seiner Ar- beitnehmer sein, ein Verein, der seine Mit- glieder schützen will oder ein Vermieter, der seine Mieter schützen will. In der Gesetzesbe- gründung heißt es, dass die Gruppe nicht „von Anfang an bestimmt sein muss, sondern dass es ausreicht, wenn sie von Anfang an be- stimmbar ist“. Hier wird auch gesagt, dass anhand der Praxis innerhalb der Versiche- rungsbranche und den versicherungstechni- schen Voraussetzungen für eine Gruppenver- sicherung festgestellt werden soll, was eine Gruppe in diesem Sinne ausmacht. Die Grup- pe kann sehr umfassend sein. Beispiele sind Kreditnehmer in einer Bank oder die Perso- nen, die der nationalen schwedischen Antial- koholbewegung (nykterhetsrörelsen) angehö- ren. Die Bedingungen für eine Gruppenversi- cherung sollen prinzipiell in der Gruppenab- rede angegeben werden. 12. Die Definitionen für „Gruppenschadens- versicherung“ und „Gruppenpersonenver- sicherung“ schließen beide an die Begriffe Gruppenabrede und Gruppe an. Gruppenscha- densversicherung ist danach eine Versiche- rung, die durch eine Gruppenabrede erteilt wird und die unter der Voraussetzung gilt, dass der Versicherte – oder ein Dritter mit einer besonderen Verbindung zum Versicher- ten - dieser Gruppe angehört. Gruppenperso- nenversicherung ist eine Personenversiche- rung, die auf die gleiche Weise erteilt wird und unter denselben Voraussetzungen gilt. Nicht nur die Mitglieder der Gruppe können von diesen Versicherungen erfasst werden, sondern auch Personen mit besonderer Ver- bindung zu Gruppenmitgliedern, z.B. Nahe- stehende. Wenn ein versichertes Gruppen- mitglied die Gruppe verlässt, verlieren auch diejenigen ihren Versicherungsschutz, die zusammen mit ihm versichert waren, abgese- hen davon, dass dies einige Zeit dauern kann. Die Gruppenmitglieder sind oft Verbraucher, dies ist aber nicht notwendiger Weise so. 5. Die Gesetzessystematik 13. Das neue Gesetz macht einen grundlegen- den Unterschied zwischen individueller (Teil II und III) und kollektiver Versicherung (Teil IV). Die erste besteht aus zwei Typen: indivi- duelle Schadensversicherung (Til II) und in- dividuelle Personenversicherung (Teil III). 178 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht Die kollektive Versicherung ist auf entspre- chende Weise in kollektive Schadensversi- cherung (Kapitel 17 und 18) und kollektive Personenversicherung (Kapitel 19 und 20) eingeteilt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber eine besondere Einteilung der individuellen Scha- densversicherung gemacht. Sie wird ihrer- seits nochmals unterteilt in Verbraucherver- sicherung (Kapitel 2 bis 7) und Geschäftsver- sicherung (Kapitel 8). Für die individuelle Versicherung differenziert das Gesetz also zwischen drei Versicherungstypen: Verbrau- cherversicherung, Geschäftsversicherung und Personenversicherung. Dieser Dreiteilung ist die kollektive Versicherung gegenübergestellt. Diese ist ihrerseits in zwei unterschiedliche Versicherungstypen eingeteilt: Gruppenver- sicherung und sogenannte kollektivabredere- gulierte Versicherung. Im Detail umfasst das Gesetz folgende Bestimmungen. 14. Die für das gesamte Gesetz geltenden Fragen sowie einige Spezialregelungen fin- den sich im ersten Teil des Gesetzes, der aus einem einzigen Kapitel besteht (Kapitel 1). Hier finden sich Regelungen zur Anwendbar- keit des Gesetzes (§§ 1 bis 3), Definitionen (§4) sowie Bestimmungen dazu, welche Re- gelungen zwingender Natur sind (§§ 6 und 7). Die besonderen Regelungen betreffen Perso- nenversicherungen, die von einem Arbeitsge- ber zugunsten eines Angestellten abgeschlos- sen werden (§5), sowie Personenversicherun- gen, die in einer Schadensversicherung mit inbegriffen sind (§8). 15. Der andere Teil, der die individuelle Scha- densversicherung abdeckt, beginnt mit Be- stimmungen zur Verbraucherversicherung. Hier finden sich Regelungen darüber, welche Informationen dem Versicherten gegeben werden sollen (Kapitel 1), über die Versiche- rungsabrede (Kapitel 3), die Haftungsbegren- zungen des Versichernden (Kapitel 4), Prämi- en (Kapitel 5), die Versicherungsauszahlung (Kapitel 6) sowie über sie Schadensregulie- rung und vieles mehr (Kapitel 7). Nach den Regelungen zur Verbraucherversicherung folgen die, die für Geschäftsversicherungen gelten in einem einzigen Kapitel (Kapitel 8). Sowohl zur Verbraucher- als auch zur Ge- schäftsversicherung hat der Gesetzgeber ein besonders Kapitel angefügt: die Rechte des Dritten laut Versicherungsabrede (Kapitel 9). 16. Der dritte Teil – umfassende individuelle Personenversicherung – beinhaltet Abschnit- te, die im großen und ganzen dem entspre- chen, was im Teil zur Verbraucherversiche- rung schon behandelt wurde, nämlich: die Informationspflicht des Versichernden (Ka- pitel 10), die Versicherungsabrede (Kapitel 11), Haftungsbegrenzung des Versichernden (Kapitel 12), Prämien (Kapitel 13), sowie Regelungen zum Versicherungsfall und vie- les mehr (Kapitel 16). Darüber hinaus finden sich die folgenden für Personenversicherun- gen besonderen Regelungen, die keine Ent- sprechung im Abschnitt über Verbraucher- versicherung finden: Verfügungen über die Versicherung (Kapitel 14) und das Verhältnis zu Bürgschaftsangelegenheiten (Kapitel 15). 17. Die Regelungen des vierten Teils über kollektive Versicherungen beginnt auf ent- sprechende Weise wie der zweite Teil, mit Bestimmungen zu kollektiven Schadensver- sicherungen: Gruppenversicherung (Kapitel 17) und kollektivabredebasierten Schadens- versicherungen (Kapitel 18). Danach folgen Regelungen über kollektive Personenversi- cherungen: Gruppenversicherung (Kapitel 19) und kollektivabredebasierte Personenversi- cherungen (Kapitel 20). Nach dem Gesetzes- text folgen Übergangsbestimmungen und Bestimmungen über das Inkrafttreten. 179 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht 6. Der Reformbedarf a) die Modernisierung 18. Es ist viel passiert seit FAL (das Gesetz 1927) in Kraft getreten ist. Neue Versiche- rungsprodukte sind entstanden, nicht zuletzt auf dem Gebiet der Personenversicherung. Hierzu kommt dass moderne schwedische Versicherungstätigkeit ist bedeutend interna- tionaler ausgerichtet als früher (dazu gleich genauere Ausführungen). 19. Besonders wichtig ist es, dass sich das Versicherungsvertragsrecht an die Reformen anpasst, die auf dem Gebiet des Versiche- rungswesens selbst stattgefunden haben. Die sechs europäischen Generationsrichtlinien, aber auch andere gemeinschaftliche Gesetz- gebung haben das Bild drastisch verändert. Die Liberalisierung des Vertragswesens die durchgeführt wurde hatte zum Ziel, die Versi- cherungen zur Entwicklung neuer Versiche- rungen zu inspirieren und dadurch dem Versi- cherten mehr Schutz zu geben. Die abneh- mende öffentliche Kontrolle, die für Schweden eine Folge der Deregulierung von Seiten der EU war, bedeutet, dass der jeweilige Versi- cherungsvertrag größere Bedeutung bekommt als dies früher der Fall war. Der abnehmenden Kontrolle sollte durch zivilrechtliche Bestim- mungen entgegengewirkt werden. b) Die Stärkung der Stellung des Versicherten 20. Alle Reformen versicherungsvertraglicher Gesetze haben nur ein Ziel: die Freiheit des Versichernden zu begrenzen. Im Hinblick darauf ist es die Aufgabe, die Stellung des Versicherten zu stärken. Der schwedische Gesetzgeber konnte feststellen, dass die Situa- tion für den Verbraucher im Rahmen des KFL zufriedenstellend war, zumindest was Scha- densversicherungen anging. Anders mit Per- sonenversicherungen. Die zwingenden Be- stimmungen, die es im KFL gab wurden seinerzeit als fortschrittlich angesehen. Die Zeiten haben sich allerdings für die Menschen und die Gesellschaft insgesamt geändert. Die Anforderungen, die man heutzutage an den Versichernden stellt, sind deutlich gestiegen. Die Nachfrage nach Personenversicherungen ist gestiegen. Diese Versicherungen spielen eine immer größere Rolle innerhalb der Gesell- schaft. Es handelt sich um komplizierte Pro- dukte, die von den Versicherungen ausformu- liert werden, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat alle Details zu erfassen. Ge- schäftsbedingungen können hier die Arbeit der Versicherungen erleichtern und das kann Vorteile für den Versicherungsnehmer haben, aber in einem größeren Zusammenhang gese- hen muss das nicht der Fall sein. Die Regie- rung hat ihre Sicht zum Reformbedarf im Hinblick auf den Versicherungsnehmer wört- lich so zusammengefasst: „Ein modernes Ver- sicherungsvertragsrecht sollte einer traditio- nellen schwedischen Grundhaltung Ausdruck verleihen, nach der eine Versicherung nicht nur als ein finanzielles Produkt angesehen wird, sondern in der die besonderen Merkmale dieses Vertragstyps und die Verantwortlichkeit der Vertragspartner besonders betont wird.“9 c) Die internationale Entwicklung 21. Im Entwurf zu dem neuen Gesetz wurde die Internationalisierung die das Vertragswe- sen erfahren hat besonders betont. Das glei- che gilt für das Streben nach einem besseren gemeinsamen Finanzmarkt innerhalb der EU, darunter auch für Versicherungsdienstleistun- gen. Auf einem so internationalen Gebiet wie dem Versicherungsvertragsrecht muss man mit einer „breiteren Perspektive“ arbeiten.10 Die internationale Situation schien eine klare und vorausschauende Gesetzgebung zu for- dern und es war wichtig, dass Schweden in dieser Hinsicht nicht ins Hintertreffen geriet. Die Reformarbeit in anderen Ländern wird in diesem Zusammenhang auch als ein wichti- ger Faktor genannt. 180 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht 22. Während der Arbeit an einer neueren versicherungsvertragsrechtlichen Gesetzge- bung wurde von verschiedenen Seiten vor einem zu versicherungsnehmerfreundlichen Einschlag in den neuen Regelungen gewarnt. Dies könne den schwedischen Versicherun- gen im Wettbewerb mit Firmen aus anderen Ländern schaden. Der Gesetzgeber unterstrich aber mit Schärfe, dass das Vertragsrecht wett- bewerbsneutral sei. Das internationale Privat- recht bringt es ohnehin mit sich, dass die schwedischen versicherungsvertragsrechtli- chen Regeln für schwedische und für auslän- dische Versicherer gleich sind. 23. Im September 2002 erklärte der Versiche- rungsbund, dass der Gesetzesentwurf nicht länger seine Unterstützung habe und dass die Gesetzgebungsarbeit abgebrochen werden sollte. Im Wesentliche wurden zwei Gründe dafür genannt. Der erste war, dass die EU bald mit einem Vorschlag zu einem europäischen Versicherungsvertragsrecht kommen würde und dass dies ein Grund sei zu warten. Ein neues Gesetz einzuführen, das bald von einem anderen abgelöst werden würde, wurde als unvernünftig angesehen. Die Kosten für die Versicherungsbranche wären bedeutend und würden sich in den Prämien für die Verbrau- cher widerspiegeln. Die andere Erklärung war, dass sich Schweden mit dem vorgeschlage- nen Gesetz in eine isolierte Position begeben würde. Kein anderes Land war zu dem Zeit- punkt auf dem Gebiet gesetzgeberisch tätig. Es wurde bei einem „Hearing“ in Septem- ber 2003 deutlich, dass eine internationale Gruppe zwar Prinzipien für ein europäisches Versicherungsvertragsrecht ausarbeitete, dass diese Arbeit aber noch mindestens sechs wei- tere Jahre andauern würde; danach müsse man mit vielen weiteren Jahren Vorbereitung rechnen ehe ein Resultat in Form einer Richt- linie oder anderen Regelung zu erwarten sei. Es wurde auch deutlich, dass mehrere andere europäische Länder, darunter die Schweiz und Deutschland, angefangen hatten Reform- arbeit auf dem Gebiet zu betreiben. Diese Erklärungen beendeten aber nicht den Wider- stand des Versicherungsbundes, der im Ge- genteil deutlich stärker wurde und beinhaltete, dass der Verbund einen Totalstopp des Ge- setzentwurfs forderte. Dieser Widerstand hielt bis zuletzt an, bis zur Verabschiedung des Gesetzes durch den Reichstag. d) Abredefreiheit 24. Gegen die sogenannte „Departementspro- memoria“ (siehe Fussnote 5 oben) und den Entwurf zur Lagråds-Vorlage (siehe Fussnote 6 oben) wandte der Versicherungsbund ein, dass die Abredefreiheit größeren Raum ein- nehmen sollte. Die Regierung stimmte dieser Kritik zu, besonders im Hinblick auf Perso- nenversicherungen, und änderte deshalb den vorgeschlagenen Gesetzestext in einigen Punkten. Gleichzeitig wurde jedoch unterstri- chen, dass Versicherungsvertragsbedingun- gen, die vom Gesetz abwichen, zwar theore- tisch annehmbar sein könnten, aber dass das Interesse der Allgemeinheit dazu führen wür- de, dass sie nicht zugelassen werden könnten. Dies wurde eine empfindliche Abwägungs- frage. Allgemeine zivilrechtliche Prinzipien sowie die Besonderheiten des Versicherungs- vertragsrechts mussten beachtet werden. Gleichzeitig sollte größtmögliche Rücksicht auf das genommen werden, was als allgemein zulässige Versicherungsbedingungen ange- sehen werden kann. 25. Die Regierung unterstrich auch die Unge- eignetheit eines zu „produktgesteuerten Rechtsgebungsprozesses“. Stattdessen sollte er sich auf die „Rechte und Pflichten der Vertragspartner“ konzentrieren und auf „ak- tuellere Fragen“ in Beziehung zu anderen ersatzberechtigten Personen. Sicherlich sollte das Gesetz verhältnismäßig genau ausformu- liert sein, aber gewisse Fragen sollten von den Gerichten nach allgemeinen zivilrechtlichen 181 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht Prinzipien und unter Beachtung des Schutz- zwecks und der Eigenart des Versicherungs- vertrages beantwortet werden. In Bestimmun- gen, die auf eine Abwägung zwischen Bedarf nach Versicherungsschutz und versicherungs- technischer Rücksichtnahme hinausliefen, sollte man sich auf die „Art der Versicherung“ berufen dürfen. e) Prämienerhöhung 26. Der Bedarf nach Reformen die zu teuer zur Durchführung werden, ist normalerweise gering. Als das KFL 1980 eingeführt wurde behaupteten die Versicherer bis zuletzt mit Nachdruck und unterstrichen dies mit beson- deren Berechnungen, dass das neue Gesetz die Verbraucher durch die Prämienerhöhun- gen, die das neue Gesetz mit sich bringen würde, belasten werde. In den Jahren nach der Reform blieb allerdings eine solche Prämien- erhöhung völlig aus. Wenn Geschichte, wie man so schön sagt, nur von den Siegern geschrieben wird, sollte diese Erfahrung in dem Moment eine ernst- hafte Belastung für die Versicherer werden, in dem sie dieselben Behauptungen ein viertel Jahrhundert später gegenüber einem neuen Gesetz wiederholen. Der Einwand des Versi- cherungsverbundes, dass die Kosten der Re- form enorm sein würden und sich auf die Prämien auswirken würden, fiel damit in sich zusammen.11 7. Die Gesetzgebungstechnik a) Das Verhältnis zwischen Personen- versicherung und Schadens- versicherung12 27. Der Gesetzgeber hat den traditionellen Regelungsunterschied, der zwischen Perso- nenversicherung und Schadensversicherung aufgestellt wurde, beibehalten. Es hat also keine Anknüpfung an den Begriff der Perso- nenversicherung stattgefunden, wie man ihn im Versicherungsbetriebsrecht findet, wo ge- wisse Kranken – und Unfallversicherungen zu Schadensversicherungen führen. Die Re- gierung meinte, dass sogar diese Besonder- heiten hätten, die es rechtfertigen würden sie anders einzuordnen als bei den Schadensver- sicherungen. Es wurde auch unterstrichen, dass eine andere Position zu dieser Thematik auf große rechtstechnische Probleme stoßen würde. 28. Paketversicherungen, die sowohl Scha- densversicherungen umfassen als auch Perso- nenversicherungen beinhalten sind nicht un- gewöhnlich. Es ist unzweifelhaft schwierig in der täglichen Schadensregulierung mit unter- schiedlichen Regelungen für solche Versi- cherungen arbeiten zu müssen. Deswegen wurde im neuen Gesetz eine Regelung getrof- fen die besagt, dass die Bestimmungen für Schadensversicherungen auch gelten, wenn es sich um Personenversicherungen handelt, die als Teilstück in einer Schadensversiche- rung inbegriffen sind. Die Versicherungsge- sellschaften sind aber was das angeht frei. Wenn etwas anderes vereinbart wird, so gilt das Vereinbarte (dazu unten). 29. Es ist natürlich denkbar, dass Schadens- versicherungen in einer Personenversicherung inbegriffen sind. Ein Bedarf an Sonderrege- lungen hierzu wurde aber nicht gesehen. Ein Normalfall scheint zu sein, dass der Sach- schade gleichzeitig mit der Personenschade eintritt, z.B. wenn Kleider bei einer Personen- schade zerstört werden. Es wurde jedoch als angemessen aufgefasst, dass der soziale Ein- schlag bei Personenschäden auch bei diesen Sachschäden entscheidend werden sollte. 30. Wäre es möglich gewesen das Gesetz so zu gestalten, dass die Regelungen für Perso- nen– und Schadensversicherungen gemein- same hätten sein können? Diese Frage wurde während der Gesetzgebungsarbeit gestellt. Es war besonders die Ähnlichkeit zwischen Ver- 182 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht braucherversicherung und Personenversiche- rung, die diese Frage hervorrief. In beiden Bereichen ist der soziale Einschlag bedeu- tend. Es zeigte sich aber in der Zwischenzeit, dass selbst wenn man diesen Ansatz wählen würde, mehrere Regeln für diese zwei Grup- pen unterschiedlich sein müssten. Wichtig waren natürlich auch die betriebsrechtlichen Regelungen, dass Schadensversicherungs- und Lebensversicherungstätigkeiten nur in spezi- ellen Ausnahmefällen in ein und demselben Betrieb abgewickelt werden dürfen. Der Ge- danke wurde deswegen verworfen. b) Verbraucherversicherung13 31. Das Regelwerk des KFL ist also zum grossteil in das neue Gesetz übernommen worden. Einige Veränderungen sind aber vor- genommen worden. 32. Wie oben genannt deckt das KFL nur sechs Vertragstypen ab. Spezielle Versiche- rungen , wie zum Beispiel für Uhren, Kame- ras, Tiere, Schmuck, fallen heraus und damit unter die Regelung des FAL. Der Grund dafür war, dass solche speziellen Versicherungen als nicht in das Regelungssystem passend angesehen wurden, als das KFL gemacht wurde. Diese Diskrepanz verlangt laut Aussa- ge der Versicherungsbranche nach wie vor besondere Regelungen. Dieser Wunsch wur- de in gewissem Maße vom Gesetzgeber be- achtet. Aber im Prinzip wurde es aus rechts- politischen Gründen als nicht zu rechtfertigen angesehen, dass gewisse Versicherungen aus- geschlossen sein sollten. c) Individuelle Geschäfts- versicherung14 33. Sowohl der Vorschlag zum Personenver- sicherungsgesetz (1986) als auch zur Scha- densversicherung (1989) (siehe 7 oben) be- ruhten auf dem Gedanken, dass Regelungen zur Schadensversicherung, die aus dem KFL entnommen wurden sowohl für Verbraucher- als auch für Geschäftsversicherungen gleich sein sollten – abgesehen von einigen Abwei- chungen, nicht zuletzt wenn es um das Ver- hältnis zu Bürgschaftsfragen ging. Die Versi- cherungsbranche hatte viele Einwände gegen diese weitreichende Zusammenlegung von Regelungen. Das Endergebnis war, dass die Regierung stattdessen im Gesetz die allge- meinen Bestimmungen zur Geschäftsversi- cherung mit einfügte, die man zum Großteil im KFL finden konnte. Die Bestimmungen wurden der Inhalt des neuen Kapitels 8 (siehe 13 oben). Damit wurde die individuelle Ver- braucherversicherung deutlich von der indi- viduellen Geschäftsversicherung abgegrenzt. d) Besondere Versicherungsarten15 34. Während der gesetzgeberischen Arbeit kam die Frage auf, ob das FAL auch dafür herangezogen werden sollte, die dort ange- wendete Technik, besondere Teile mit Rege- lungen für gewisse Versicherungsarten zu haben, auch für das neue Gesetz zu verwen- den. Das FAL hatte besondere Teile für See-, Transport-, Brand-, Vieh- und Haftpflichtver- sicherungen. Nur für die Haftpflichtversiche- rung wurde es aber als notwendig angesehen eine Gruppe besonderer Regelungen mit auf- zunehmen. Der Gesetzgeber unterstrich die Wichtigkeit, Zurückhaltung zu üben was die Schaffung von Spezialregelungen für be- stimmte Versicherungsarten angeht. Die Ver- sicherungen müssen die Freiheit haben auch eigene Produkte zu entwickeln. e) Wiederholungstechnik 35. Das neue Gesetz beinhaltet verschiedene Wiederholungen, was es umfassender wer- den ließ. Hinter dieser Wiederholungstechnik liegt der Gedanke, dass die Regelungen in der Praxis einfacher zu handhaben sein sollen. Diese Technik war in der skandinavische Gesetzgebung nicht unbekannt. Das norwe- gische Gesetz hat im Wesentlichen die glei- che Aufteilung. Dadurch dass das neue Ge- 183 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht setz gleichzeitig auch in Teile aufgeteilt wur- de, wurden die Probleme mit den Wiederho- lungen minimiert. 8. Anwendungsbereich 36. Das Gesetz findet nur auf private Versi- cherungen Anwendung, erteilt von einzelnen Versicherungsgesellschaften und anderen Versicherungsbetrieben, abgesehen davon dass es teilweise besondere Regelungen für Beihilfevereine geben kann. Es wird nicht auf Verkehrsversicherungen oder Patientenscha- densversicherungen angewandt, soweit diese vom Verkehrsschadensgesetz (1975:1410) und vom Patientenschadensgesetz (1996:799) erfasst werden. Anders ausgedrückt: Das Ge- setz findet Anwendung soweit eine Frage nicht von diesen beiden Gesetzen erfasst wird (Kapitel 1, §3 Absatz 1). Rückversicherung fällt nicht unter das neue Gesetz (Kapitel 1, §3 Absatz 2). Individuelle Personenversicherun- gen, abgeschlossen vom Arbeitsgebern zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit der Angestellten haben zu speziellen Regelungen geführt, die beinhalten dass der Angestellte unter Anwendung bestimmter Gesetzesbe- stimmungen als Versicherungsnehmer ange- sehen wird (Kapitel 1, §5 Absatz 1). Diese Regelungen gelten aber nur, soweit nichts anderes zwischen Arbeitgeber und Versiche- rung bestimmt ist (Kapitel 1, §5 Absatz 2). 9. Zwingende Bestimmungen 37. Die Grundregel ist, dass Vertragsbedin- gungen, die im Vergleich zu den Bestimmun- gen des Gesetzes bei Personenversicherun- gen Nachteile für den Versicherungsnehmer oder dessen Rechtsinhaber (zum Beispiel der Inhaber eines Pfandrechts oder anderweitig Begünstigte) bringen, für den Versicherten oder den späteren Erwerber keine Geltung haben, soweit nicht etwas anderes im Gesetz bestimmt ist (§6 Absatz1) (die vier Subjekte die hier genannt werden, werden im Folgen- den der Einfachheit halber nur „Versiche- rungsnehmer“ genannt). Wenn eine Versi- cherungsvertragsbedingung vorteilhafter für den Versicherungsnehmer ist als das Gesetz, wird die Vertragsbedingung automatisch wirk- sam. Das Gesetz kann allerdings hiervon eine Ausnahme machen. Der Ausgangspunkt ist also, dass alle Gesetzesbestimmungen zwin- gend sind, dass aber davon Ausnahmen ge- macht werden können, entweder weil die Vertragsbedingung einen für den Versiche- rungsnehmer vorteilhaften Inhalt hat, oder auch weil das Gesetz dies in manchen Fällen bestimmt. Wenn festgestellt werden muss, ob eine Bedingung im Gesetz vorteilhafter ist oder nicht, darf keine Gesamtbetrachtung des Versicherungsvertrages stattfinden. Der In- halt des Gesetzes darf nur mit der jeweiligen, einzelnen Vertragsbedingung abgeglichen werden. In den Vorbereitungen zum Gesetz wurden folgende Beispiele genannt. Wenn das Gesetz eine Frist für die Bezahlung von Prämien von einem Monat vorsieht und eine Kündigungsfrist von vierzehn Tagen bei Ver- zug, so kann eine Vertragsbedingung, die eine Kündigungsfrist von bloß einer Woche vor- sieht nicht akzeptiert werden, nur weil die Frist für die Bezahlung auf mehr als einen Monat verlängert wurde. Die Bedingung be- treffend der Kündigungsfrist ist ungültig, während die längere Zahlungsfrist gültig bleibt. Angewendet auf die verschiedenen Versi- cherungstypen mit denen das Gesetz arbeitet, ist das Ergebnis wie folgt: 38. Die Regelung zur individuellen Verbrau- cherversicherung, die laut KFL zwingend waren, sind auch weiterhin zwingend. Dass die Versicherung unbefristet gilt, macht dabei keinen Unterschied. 184 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht 39. Eine solche Regelung gilt auch für die individuelle Personenversicherung. Mehrere Gründe sprachen für diesen Standpunkt. Schutzregelungen wurden in vielerlei Hin- sicht als besonders wünschenswert angesehen, weil diese Art von Versicherung so große praktische Bedeutung hat. Der Versicherungs- nehmer hat auch Probleme sich in die oft schwerverständlichen Typen von Personen- versicherungen hineinzuversetzen, was die Möglichkeit auf die Ausgestaltung der Versi- cherung Einfluss zu nehmen verringert. Man meinte ein zwingendes Regelwerk bringe mehr Sicherheit und Stabilität im Zusammenhang mit der Internationalisierung der Personen- versicherung. Zwingende Regelungen sind deswegen beispielsweise im Hinblick auf die Information der Versicherten und die Ver- pflichtungen des Versicherungsnehmers ein- geführt worden. Dagegen sind Fragen zum Umfang der Versicherung und der Risiken, die gedeckt sein sollen im Prinzip aus dem Gesetz herausgelassen worden. Der Gesetz- geber hat damit davon abgesehen in die Ent- wicklung neuer Versicherungsformen einzu- greifen. 40. In welchem Maße zwingende Regelungen bei der individuellen Geschäftsversicherung eingeführt werden sollten, wurde eine der schwierigsten Fragen während der Gesetzge- bungsarbeit. Das FAL hatte verschieden zwin- gende Regelungen zu diesem Versicherungs- typ. Das Schadensversicherungsgesetz von 1989 (siehe 7 oben) beinhaltete stattdessen eine besondere Ausrichtung auf dispositive Regelungen. Die Regelungen sollten aber zwingend sein, sofern es sich um gewisse Gruppen von Kleinstbetrieben handelte. Die Trennung zwischen diesen und den anderen Betrieben wurde kritisiert, nicht zuletzt von Seiten der Versicherungen. Die Trennung wurde als unklar angesehen und als eine, die praktische Probleme mit sich bringt und die Abredefreiheit verletzt. Dies führte dazu, dass man die zwingenden Regelungen auch in dem Umfang fallen ließ, wie sie noch im FAL galten. 41. Im Gesetz wurde die Abredefreiheit, wie sie noch im Departementspromemoria von 1993 gestanden hatte aufgegeben. Stattdes- sen gelten weiterhin die zwingenden Rege- lungen, die im FAL aufgestellt wurden, mit den Anpassungen und Veränderungen, die die neue Gesetzessystematik erforderte. Dies beinhaltete, dass Regelungen über Verstöße gegen Nebenverpflichtungen und Verjährung auch weiterhin zwingend bleiben. Im Übrigen sind die Regelungen dispositiv. Die Regelun- gen in ihrem jetzigen Zustand sind aber nicht dieselben wie im FAL. Es gelten besondere Informationspflichten für die Versicherer. Fünf direkte Ausnahmen von den Grundre- geln über zwingende Bestimmungen sind ge- macht worden (§7). Es ist genug hier die erste ((1)-(4)) zu nennen: (1) Eine solche Seeversicherung, andere Tran- sportversicherung oder Luftfahrzeugsver- sicherung, die nicht Verbraucherversiche- rung sind; (2) Kreditversicherungen, auch wenn sie eine Verbraucherversicherung ist. Abreden über Kreditversicherung kommen Abre- den über Bürgschaften oder Garantien sehr nahe. Die Regierung tat sich schwer hier die gewöhnlicher Regelungen anzuwen- den. Es hat aber seinen Wert auf das Grund- legende der Abrede trotzdem die disposi- tiven Regelungen des neuen Gesetzes an- wenden zu können. Es wurde dabei auf die Möglichkeit, dass ein Gericht letztendlich nach § 36 des Gesetzes zum Vertragsrecht (avtalslagen), die Regelung die besagt dass Abreden die nicht billig sind angeglichen werden können, Versicherungsverträge angleichen kann. 185 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht (3) Eine Gruppenschadensversicherung, die einer Gruppe Gewerbetreibenden erteilt wird. (4) Eine kollektivabredebasierte Versiche- rung, wenn die Versicherung aus einer Vereinbarung zwischen einer Arbeitge- berorganisation und einer zentralen Ar- beitnehmerorganisation hervorgeht. 10. Abschliessende Bemerkungen 42. Heute versucht mann Prinzipien zu einem gemeinsamen europäischen Versicherungs- vertragsrecht zu finden. Es handelt sich dabei um freiwillige und unbezahlte Arbeit, die von Akademikern aus mehreren europäischen Ländern betrieben wird und deren Ziel es ist, das Versicherungsvertragsrecht im Hinblick auf die Förderung der europäischen Integrati- on zu harmonisieren. 43. Der Ausgangspunkt für den Reformbe- darf auf der europäischen Ebene ist der Wunsch die europäische Integration zu voll- enden. Um die ist es deshalb nicht gut bestellt, weil Versicherungsgesellschaften nicht auf eine Art und Weise arbeiten können, die es ihnen ermöglicht ihre Produkte unter unge- fähr denselben Voraussetzungen in ganz Eu- ropa anbieten zu können. Die Voraussetzun- gen sind deshalb so verschieden geworden, weil sich der Verbraucherschutz in Europa so unterschiedlich entwickelt hat. Die Unter- schiede sind beträchtlich. In einem Land wie meinem eigenen, Schweden, hat der Gesetz- geber Ende der 70ger Jahre Farbe bekannt und führte zwingende Gesetze über Versicherungs- verträge zwischen Versicherungsgesellschaf- ten und Verbrauchern ein. Das Resultat war, dass das gesamte Rechtsgebiet in zwei Teile geteilt wurde und die bis dahin vorhandene enge Zusammenarbeit der nordischen Länder auf diesem Gebiet beendet wurde. 44. In gewissen europäischen Ländern befin- det sig heute das nationale Versicherungsver- tragsrecht in einer dynamischen Entwicklungs- phase. In einigen Ländern ist die Reformar- beit gerade abgeschlossen. Dies ist insbeson- dere der Fall in Schweden und, in kleinerem Maße, in Dänemark. In anderen Ländern hat eine solche Reformarbeit begonnen, ist aber noch nicht abgeschlossen. So ist es – wie bekannt – mit Deutschland und der Schweiz 45. Der Reformbedarf auf nationaler Ebene ist nicht derselbe wie auf europäischer Ebene. Auf nationaler Ebene ist es ausreichend auf das Alter der vorhandenen Gesetze zu schau- en um zu verstehen warum Veränderungen wünschenswert sind. Zu Europas ältesten Gesetzen auf diesem Gebiet gehören die, die in Deutschland und in der Schweiz gelten. In beiden Ländern sind die Versicherungsver- tragsgesetze von 1908. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen sind heutzutage völlig an- ders als vor hundert Jahren. Das Verständnis für die Aufgabe einer Versicherung und für deren Stellenwert innerhalb des Rechtssy- stems hat sich verändert. Neue Versicherungs- produkte sind entwickelt worden. Die Nach- frage nach privaten Versicherungen ist ge- waltig gestiegen. Kollektive Versicherungen sind entstanden. Versicherungsverträge wer- den elektronisch und über Distanz geschlos- sen. Wesentlich ist, dass sich soziale Blick- punkte im Rahmen von Versicherungen im Laufe des 20.Jahrhunderts immer mehr Gel- tung verschafft haben. Das hauptsächliche Interesse des Versicherungsnehmers liegt dar- in, sich Sicherheit zu verschaffen. Aber der Versicherungsnehmer ist in der schwächeren Position, wenn der Versicherungsvertrag ge- schlossen wird und auch während der Versi- cherungszeit. Dass die Versicherungsgesell- schaft normalerweise der wirtschaftlich stär- kere Teil ist, ist an sich nicht besonders be- merkenswert. Ein solches Ungleichgewicht kommt auch bei anderen Vertragsarten vor. 186 Das neue schwedische Versicherungsvertragsrecht Wichtiger ist, dass die Versicherungsgesell- schaft praktisch immer eine überlegene Sach- kenntnis auf diesem komplizierten Rechtsge- biet besitzt. Der Versicherungsnehmer hat nicht dieselben Möglichkeiten festzustellen, ob die Prämie angemessen ist und was die ausführlichen allgemeinen Geschäftsbedin- gungen eigentlich in verschiedenen denkba- ren Situationen bedeuten. Eine staatliche Kon- trolle wenn es um Prämien und andere Ge- schäftsbedingungen geht kann dem Versiche- rungsnehmer nicht mehr weiterhelfen, seit der gemeinsame Markt im Versicherungsbe- reich Realität geworden ist. Der Unterlegen- heit des Versicherungsnehmers könnte durch Information von Seiten der Versicherungen abgeholfen werden. Aber wie im schwedi- schen Gesetzgebungsprozess festgestellt wur- de, so ist es nicht leicht sogar dem interessier- ten Versicherungsnehmer eine Auffassung davon zu vermitteln, was der Vertrag eigent- lich beinhaltet. Zumindest wenn es um Ge- schäftsversicherungen geht kann man damit rechnen, dass der Versicherungsnehmer durch die Beauftragung fachkundiger Versiche- rungsmakler Hilfe bekommt. So wie gleich- wohl bei der abgeschlossenen schwedischen Reformarbeit unterstrichen wurde kann man jedoch nicht davon ausgehen, dass immer ein Versicherungsmakler mitwirkt, nicht einmal bei umfassenderen und wichtigeren Versi- cherungsverträgen. Der Verbraucherschutz wurde während des 20. Jahrhunderts die gro- ße durchgreifende Idee, die sich mit großer Kraft überall auf der Welt durchgesetzt hat und die rechtliche Entwicklung in allen mög- lichen Rechtsgebieten beeinflusst hat. Das Gesetzgebungsverfahren im Versicherungs- vertragsrecht konnte natürlich nicht vermei- den, auch von dieser Entwicklung erfasst zu werden und das hat Veränderungen hervorge- rufen. Noten 1 Der folgende Text enspricht hauptsächlich dem Vortrag von Professor, Dr. Bill W. Dufwa bei der Internationale Tagung des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft in Berlin vom 25. bis 27. Mai 2005. Das Thema der Tagung war „Verbraucherschutz auf den Versicherungsmärk- ten – en weltweites Thema“. 2 Konsumentförsäkringslag. Delbetänkande av försäkringsrättskommittén. SOU 1977:84. Stock- holm 1977 (ISBN 91-38-03746-7). 3 Personförsäkringslag. Delbetänkande av försäk- ringsrättskommittén. SOU 1986:56. Stockholm 1986 (ISBN 91-38-09418-5). 4 Skadeförsäkringslag. Slutbetänkande av försäk- ringsrättskommittén. SOU 1989:88. Stockholm 1989 (ISBN 91-38-10430-X). 5 Ny försäkringsavtalslag. Ds (Departementspro- memoria) 1993:39. Stockholm 1993. 6 Siehe Regeringens proposition 2003/04:150. Ny försäkringsavtalslag. Del (Teil) 3. Bilagor (An- lage). Nummer 16. Seiten 963-1049. Stockholm 2004. „Lagråd“ ist ein Organ, der innerhalb des Gesetzgebungsprozesses die Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs mit geltendem schwedischen Recht überprüft. 7 Siehe Regeringens proposition 2003/04:150. Ny försäkringsavtalslag. Del (Teil) 3. Bilagor (An- lage). Nummer 17. Seiten 1050-1127. Stock- holm 2004. 8 Regeringens proposition 2003/04:150. Ny försäk- ringsavtalslag. Delar (Teile) 1 (Lagtext och överväganden), 2 (Författningskommentar) und 3 (Bilagor). Stockholm 2004. 9 Regeringens proposition 2003/04:150. Del 1. S. 127 (vergleiche mit Fussnote 8 oben). 10 Regeringens proposition 2003/04:150. Del 1. S. 128 (vergleiche mit Fussnote 8 oben). 11 Siehe Regeringens proposition 2003/04:150. Del 1. S. 130-131 (vergleiche mit Fussnote 8 oben). 12 Siehe Regeringens proposition 2003/04:150. Del 1. S. 131-132 (vergleiche mit Fussnote 8 oben). 13 Siehe Regeringens proposition 2003/04:150. Del 1. S. 132-133 (vergleiche mit Fussnote 8 oben). 14 Siehe Regeringens proposition 2003/04:150. Del 1. S. 133-134 (vergleiche mit Fussnote 8 oben). 15 Siehe Regeringens proposition 2003/04:150. Del 1. S. 134 (vergleiche mit Fussnote oben).